Geistlose missionale Pneumatologie

IGW hat wieder ein neues missionales Thesenpapier veröffentlicht. In einem Think-Tank wurden die Thesen diskutiert, ergänzt und überarbeitet. Wenn man aber diese Thesen sorgfältig studiert, wird man enttäuscht. Exemplarisch verdeutliche ich dies am 1. Artikel:

„Der Heilige Geist als Thema der Theologie verlangt eine ihm entsprechende Methode, nämlich Offenheit für sein Reden und Wirken. Diese Offenheit führt zu Erfahrungen und neuen Erkenntnissen, welche die gesamte theologische Arbeit beeinflussen und verändern. Eine Vernachlässigung der Lehre vom Heiligen Geist führt zu theologischen Einseitigkeiten. (Joh 3,8; Apg 10; 11,12 ff; 1. Kor 2,10)“

Zuerst wird so geredet, wie wenn der Heilige Geist, anders als Gott Vater und Sohn (despektierlich gesagt die anderen Themen der Theologie), nur mit einer Methode der Offenheit gegenüber seiner Offenbarung verstanden werden könne. Das ist tatsächlich die einzig adäquate Methode, aber für alle drei Personen der Trinität gleichermassen. Wer hier auch nur ein wenig andere Prioritäten setzt, tut dies gegen die wohldurchdachten und von der ganzen Christenheit übernommenen Thesen der frühkirchlichen Konzilien.

Dann wirkt es peinlich, wenn diese illustre Schar von Theologen lehrt, dass die Offenheit gegenüber Gottes Reden Erfahrungen und Erkenntnisse produziert. Nein, es ist Gottes Reden selbst und nicht die Offenheit demselben gegenüber. Wir erinnern uns noch gut an die populistischen Floskeln von Benny Hinn, der in genau diesem Sinn und mit diesem Verständnis dem Hl. Geist einen guten Morgen gewünscht hat.

Und abgeschlossen wird diese wichtige Einführung mit der lapidaren Warnung, dass eine Vernachlässigung der Pneumatologie zu theologischer Einseitigkeit führt. Das wiederum gilt für jede Vernachlässigung Gottes des Vaters und des Sohnes genauso.

Diese drei Hauptaussagen sind reine Platitüden und Allgemeinplätze – sie werden aber noch kritischer, wenn wir darauf hören, (1.) wem sie gelten und noch wichtiger, was eben (2.) nicht oder (3.) ebenfalls ausgesagt wird.
(1) Diese These ist offensichtlich gegen die alte Garde der (aussterbenden) Evangelikalen und ultra-konservativen Kreise gerichtet und verkennt damit, dass die junge Generation diesbezüglich keine Berührungsängste mehr kennt und höchsten in der Hektik des Alltags keine Zeit für das Offensein mehr findet und schon gar nicht die dafür notwendigen Ruhe und Besinnung.
(2) Man wird bei dieser These den Eindruck nicht los, dass Gottes Reden letztendlich beliebig verfüg- und abrufbar ist. Dieser verhängnisvolle, pragmatische Ansatz bringt ihm folgsame Jünger dazu, ständig Gott um sein Reden anzuflehen, anstatt mit Samuel auf Gottes bereits geschehenes Reden zu antworten mit: „Rede Gott, dein Knecht hört“. Das wollen missionale Jünger eben nicht: Warten auf Gottes Reden und danach Handeln. Sie laufen los, bevor sie gesandt sind, weil sie ja die einzige Bedingung bereits erfüllt haben – sie sind absolut offen.
(3) Und es ist eben diese unausgesprochene Methodengläubigkeit, die uns bei solchen Thesen hellhörig werden lassen sollte.

Gewissermassen als Antithese formuliere ich Folgendes: Die einzige wirksame Methode ist eine einseitige, radikale Ausrichtung auf Gott selber, die sich in hartem Kampf um Ruhe, Konzentration und ja, auch Offenheit gegenüber seinem Reden manifestiert. Die von mir in Vorlesungen immer wieder zitierte einzigartige, verheerende negative Potenz von uns Nachfolgern muss unsere Aufmerksamkeit gelten, sie gilt es zu bekämpfen. Anders formuliert: Wir können Gott nur daran hindern, zu uns zu reden – aber ihn zwingen können wir nicht! Keine sehr attraktive These, aus der man kaum Motivation, Engagement oder sogar Imperative ableiten kann.