Nicht ganz bei Trost

Viele Zeitgenossen in unserer trostlosen Welt wünschen sich verlässliche Partner und verständnissvolle Gegenüber. Weil die aber sehr rar sind, flüchtet man sich zu den Medien. Kürzlich las ich auf einem Kalenderzettel meiner Frau folgende Ermutigung:

Ich wünsche dir stets eine gute Freundin an deiner Seite, die dir zuhört, wenn du etwas auf dem Herzen hast. (von Unbekannt)

Seid immer sofort bereit, jemandem zuzuhören; aber überlegt genau, bevor ihr selbst redet. (Jakobus 1.19)

Warum die nicht ganz bei Trost sind, die so Trost spenden?

Es ist eine Sprungbrett-Auslegung par Excellence! Jakobus wünscht sich vom Leser, dass er ein besserer Zuhörer als Redner werde, weil diese eben so rar sind in unserer unpersönlichen Zeit. Hier aber in diese Pseudotrost wünscht das irgendwer dem Trostsuchenden.

Die zweite viel gefährlichere Lüge liegt in dem kurzen „Ich wünsche dir stets …“. Der Leser wird betrogen, wie wenn ihm da jemand etwas Gutes wünschen würde und das soll (und tut es meist auch scheinbar) trösten, ermutigen. Es gibt da niemand, der das macht, keine Person, kein Verlag … einfach niemand!

Manfred Macher